Karl Kraus

Den Tod ersehn' ich, müd, es anzusehn:
wie sich Verdienst verhüllt im Bettlerkleide
und hohles Nichts sich darf im Prunke blähn
und Treue wird verkauft durch falsche Eide,

wie Würde trägt der ausgepichte Wicht
und keusche Sittlichkeit verfällt in Schande
unbd echte Ehre lebt im Gunstverzicht
und Majestät im schlotternden Gewande,

wie Kunst verstummen muß vor Büttels Macht 
und Geist entsagt für die gelehrten Narren
und Wahrheit wird als Torheit ausgelacht
und Güte muß des Winks der Bosheit harren.

All dessen müd, hielt ich den Tod für Glück,
blieb' meine Liebe einsam nicht zurück.

1932